Ein ohrenbetäubender Schrei ging durchs Office. Für einen Moment passierte nichts, doch im nächsten Moment rannte eine Gestalt quer durch den Raum und zur anderen Tür hinaus. Und dann wars auch schon wieder vorbei.
So, wer jetzt denkt, dass hier schlimme Dinge passieren, der irrt sich gewaltig. Denn was ich während dieser Zeit machte ist so unwichtig, dass es eigentlich gar nicht erwähnt werden müsste: Ich stand in der Mitte des Raums und lachte. Caro aus. Denn der Grund ihres Schreis war nicht etwa ein Tiger eine Schlange oder Morten, der sie erschreckt hatte, sondern eine bereits entdeckte Kackerlake, die nur die Dreistigkeit besessen hatte, sich zu bewegen. Der ganz normale, alltägliche Wahnsinn im Office, der inzwischen gar nicht weiter beachtet wird.
Um das Thema Ungeziefer noch ein wenig zu vertiefen, möchte ich darauf hinweisen, dass auch in meinem Raum durchaus das ein oder andere Getier kreucht und fleucht. Angefangen hat es mit einem harmlosen Gekko, gefolgt von einer riesigen (mindestens so groß wie meine Hand) Spinne, vor der ich auch echt Angst hatte. Kakerlaken gibt es auch, allerdings sehe ich die nur sporadisch und wenn, dann trauen die sich auch nicht in mein Zimmer... zumindest meistens:)
Ansonsten ist Kundapur jedoch recht harmlos und ich spüre mehr und mehr die Vorzüge, dieses Städtchens. Es ist nicht nur Dreh und Angelpunkt vieler Aktionen, sondern auch Anfang und Ende der neusten Geschichten, und Informationen. Ein weiterer Vorteil ist die breite Masse an Volunteers, die man hier antrifft, denn inzwischen sind wir schon 20 in der City und im Umkreis! Man trifft viele Leute, weswegen es nie langweilig wird. Damit einem trotzdem nicht die Decke auf den Kopf fällt, unternehmen zumindest Caro und ich jedes Wochenende irgendwas. Die letzten zwei Monate waren wir immer mit Katja unterwegs, jedoch ist sie am 27.9. nach Mumbai abgefahren, da ihr Projekt offiziell beendet ist. Unsere Reisen führten uns in der letzten Zeit unter anderem nach Kannur (Kerala), Gokarna, Bijapur und auf die Insel Kannada Kudru.
 |
Wir drei Mädls auf einem Turm der Stadtmauer von Bijapur |
 |
Straßenstand in Bijapur |
 |
vor dem Ibrahim Rauza in Bijapur |
 |
In Kannur am Strand |
Vorerst möchte ich aber zuerst einen kleinen kulturellen Exkurs mit euch unternehmen. Es geht, wer hätte es gedacht, in die Welt des Hinduismus. Das Ganesha Festival, das am 1.9. begann und eine Woche dauerte, wurde in meiner Familie natürlich gefeiert:Ganesha Woche!! Und ganz Indien feiert. Theoretisch. Denn dadurch, das erst am 4.9. der Regen weitesgehend aufgehört hatte, hatten wir am eigentlichen Ganesha Tag (1.9.) und dem Familien Feier Tag danach noch sehr viel Regen. Tatsächlich regnete es am ersten September so viel, wie ich noch nie gesehen hatte. Den ganzen Tag durch und sogar in der Nacht noch weiter. Auch am Tag danach noch, sodass die Feier, die normalerweise bis spät in die Nacht dauert, um 1 Uhr in der Nacht zu Ende war. Die Feier an sich findet allerdings im Haus statt.
Zuerst einmal zum Gott selber: Ganesha ist der Sohn von Shiva, einer der drei Hauptgötter, und Parvati. Er hat vier Arme und einen Elefantenkopf und steht für ein Leben in Gesundheit und Glück. Deswegen wird er von den meisten Indern sehr verehrt und hat sogar einen eigenen Feiertag! Es gibt jedes Jahr eine eigene Woche zu Ehren von ihm bei der kleine und/oder große Abbilder ihrer selbst in die Häuser und Tempel getragen werden, bevor sie dann in einer großen Zeremonie ins Wasser gebracht und dort versenkt werden. Dies kann im nahegelegenen Brunnen oder im Meer sein. Meine Familie hatte ihre Ganesha in dem Haus ihrer Verwandten untergebracht, denn vier Familien teilten sich zwei Ganesha. Die ganze Feier ging erst relativ spät los, weswegen wir erst gegen zehn bei den Familien eintrulten. Dort wurde ich erstmal allen Familienmitgliedern vorgestellt, und mir wurden tausende Namen genannt von denen in noch genau einen weiß, und das ist der Name eines kleinen Mädchens „Punam“ und zwar auch nur, da sie Schuhe von Puma trug. :)
Danach wurde zu erst einmal der Gott an sich im Haus geheiligt und zwar von einem speziellen Mann, der wohl einem Priester im Christentum nahe kommt. Das war für mich sehr spannend, da ich zwar den Laut der Worte nicht verstehen konnte, allerdings die spirituelle Stimmung durchaus spüren konnte. Am Ende seiner Puja warfen wir alle Reis als Zeichen unsere Achtung auf die Statue. Das ist fast wie auf deutschen Hochzeiten, nur mit dem Unterschied, dass Ganesha keine Fruchtbarkeit mehr braucht.
Danach wurden Nüsse und Datteln vereilt, die in Indien relativ teuer sind und nur an speziellen Tagen verteilt werden. Das ganze Ritual wurde durchgehend musikalisch von einem Gong, auf den teilweise eingedroschen wurde, und zwei Klangschalen, die aufeinander geschlagen wurden, begleitet. Gleichzeitig wurden viele Duftkerzen und Rauchstäbe aufgestellt, was gerade für mich sehr grenzwertig war, da es die Atmung sehr schwer machte. Eine Frau mit Kind musste während der Zeremonie sogar den Raum verlassen, trotz zwei offener Türen. Der Effekt dieser Benebelung konnte man zumindest im Kopf sofort spüren: der Rauch setzte den beleuchteten Gott sehr gut in Szene, so dass man wirklich Ehrfurcht vor ihm hatte. Zusammen mit der hypnotischen Musik und der, nur mit Kerzen erhellten, Dunkelheit im Raum war das für mich im Nachheinein fast ein kleiner Abstecher ins Jenseits. Nachdem die Musik nocheinmal lauter und eindringlicher wurde, wurde der Gott von 4 Männern hinausgetragen. Dort wurde ihm sämtlicher wertvoller Schmuck abgenommen, bevor er zum nächsten Brunnen getragen. Die inzwischen ausgelassen heitere Stimmung (ich nehme an, die Duftstäbchen benebeln nicht zur den Raum) wurden durch wilde Gesänge und huldigende Ausrufe unterstützt. Schließlich wurde in einem letzten Akt die Figur in dem Brunnen versengt, wobei die zahlreichen, fast schon heiseren Stimmen, abwechselnde Rufe beisteuerten, die sich zu einem Brei aus Musik und Geschrei vermischten und in dem Moment aufhörten, in dem der Gott auf dem Grund aufkam.
Und dann war der Spuk vorbei. Es folgte ein sehr leckeres Essen auf Bananenblättern, doch wegen des andauernden Regens verließen wir „schon“ um halb 1 die Verwandten. Es bleibt eine Erinnerung, die ich als sehr aufregend empfand, jedoch wohl nie ganz verstehen werde.
 |
Letzter Tag von Katja |
In meinem Projekt müssen Caro und ich uns im Moment neu sortieren, weil unsere Nummer drei im Projekt, ja jetzt weg ist und der wohl ideenreichste Teil mit ihr. Die zwei Monate waren so unglaublich toll, so dass es uns sehr schwer fiel sie gehen zu lassen.
Unsere gemeinsame Arbeit hatte zwei wirkliche Höhepunkte: den Awarnessday an der Holy Rosary School und dem Climate Action Day am 24.9..
 |
und dann in der Juice Bar mit FSL staff und Volunteers und Navin |
Nach 2 wöchiger Vorbereitung an der Schule, war schließlich unsere Aufführung des Musikals für ein striktes Plastik-Taschen-Verbot in Kundapura. Die genaue Story könnt ihr euch bei Bedarf auf dem FSL Blog anschauen, den Link schreib ich sobald er gepostet ist.Wir hatten drei unterschiedliche Gruppen geplant: eine Schauspiel-, Sing- und Bühnenbildgruppe. Diese wurden jeweils von Kaja, mir und Caro geleitet.
Typisch indisch war nur mal wieder die Vorbereitung des Stückes. Denn wie vieles im Leben bringt auch die Organisation eines Musikals immer verschiedene Probleme mit sich.
Wir sind in Indien und haben somit mit indische Kontaktpersonen, Lehrern, Kindern und Eltern zu tun.
Weswegen 1. ein Problem darstellt, ist zurückzuführen auf die Kombination mit unsere unorganisierten Vorgehensweise: Wir dachten nämlich Anfang September, dass wir das Stück Ende September aufführen könnten, allerdings hatten wir die Rechnung ohne die Klausuren und die dafür benötigte Vorbereitungszeit von einer Woche gemacht, so dass das allerletzt mögliche Datum auf den 16.9. fiel. Am Rande bemerkt sei hier, dass uns das am 30.8. auffiel.
Infobox: Achtung, achtung: Wer in Indien in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen möchte sollte folgende Kriterien erfüllen: Organisationstalent, gute Kontakte/Bezeihungen, und ein tägliches Schlafpensum von maximal 5 Stunden. Außerdem ist eine Menge Geduld und Lärmunempfindlichkeit ratsam, sofern die Person nicht ein sehr lautes Organ zum Schreien oder andere Mittel besitzt um sich Gehör zu verschaffen
Die Größe der Gruppe: Das Stück ist für 40 Personen gemacht. Eventuell für 50. Wir hatten circa 80 Kinder. Die daraus resultierende Problematik liegt wohl klar auf der Hand.
Der Strom. Beziehungsweise der bei der Generalprobe nicht Vorhandene.
 |
Vor dem Awarness Day war Caro schlecht gelaunt und konnte nicht lachen |
Wenn man davon absieht, dass Katja für jeden Schauspieler Spickzettel schreiben musste, der Chor bei der Aufführung weder auf mich noch auf unseren Gitarrenspieler geachtet hatte und dadurch nahezu jeden Einsatz vermasselt und komplett schief gesungen hat und Caros Gruppe nicht wusste, wann sie wann und was ab- und aufzubauen hatte, war es ein bomben Erfolg. Die Kinder waren auf jeden Fall sehr glücklich (ich erlaube mir hier mal hinzuzufügen „ ... sehr glücklich, dass es vorbei war“). Wir waren es auf jeden Fall.
Der Climate Action Day:
Juhu!!! Mein Lieblingsthema!! Ich denke ich habe es schon fast jeder Person erzählt, falls es aber wider Erwartens eine Person geben sollte, die noch nichts von diesem ereignisreichen Tag wissen sollte, dann sollte sie jetzt besonders aufmerksam lesen. Denn folgendes beschreibt den wahrscheinlich schönsten Tag meines bisherigen Aufenthaltes.
Angefangen hat alles mit Katjas Aussage „He, ich hab da eine Organisation gefunden, die sich mit umweltpolitischen Themen befasst, vielleicht haben die ja Materialien oder Ideen, die und inspirieren können“.
Diese Organisation mit dem Namen „350“ HATTE Ideen. Um genau zu sein nur eine, aber die haben wir umgesetzt, so dass wir am Ende in New York auf dem Times Square an einer riesigen Leinwand zu sehen waren.
Neugierig geworden?
Es handelte sich um den internationalen Climate Action Day, der jedes Jahr im Herbst gefeiert wird. Dieses Jahr viel das Datum auf den 24.9..
Einen Artikel über diesen Tag habe ich bereits mit Caro verfasst, in dem auch die Hintergründe der Organisation genauer erklärt werden, deshalb erlaube ich mir jetzt einfach mal das hier frech reinzukopieren:
Climate Action day 2011
We have been part of an international movement – no, we ARE part of it.
The FSL volunteers of the projects Eco Club and Environmental Education have organized an event
on the International Climate Action day 2011, which is initialized by the organisation 350.
On the Climate Action day people all over the World move together against climate change with the motto “moving beyond fossil fuels”. The most important symbol of the movement is the number 350.
350 means climate safety. To preserve our planet, scientists tell us we must reduce the amount of CO2 in the atmosphere from its current level of 392 parts per million to below 350 ppm.” (350.org)
Otherwise the temperature will rise more than 2 degrees which has unforeseen and devastating consequences for the life on the earth. But the human being still have the chance to act against it.
How is it possible to decrease the amount of CO2?
Theoretically the people have to reduce the production of greenhouse gases which are cast by industry, through transport etc.
What can everybody do in practice? There are many easy possibilities in daily life like refusing plastic, using less motor vehicles and using more bicycle and public transport.
The yearly held International Climate Action Day is a symbolic action which should show that on the whole world people demonstrating together for reaching the same aim: Reducing the negative consequences of the climate change and making more people aware of their possibilities to act.
Many bicycle tours or food marches were held in different places such as Hamburg, Rio De Janeiro, New Delhi, the Fiji Isles, Cape Town!
The preparation of the event in Kundapura needed about 4 weeks, nerves and a lot of visits in school, the printer and shops till the big day finally started. This included sometimes working sessions until 8 PM in the office
During the demonstration the attention of the population was risen by singing songs, screaming slogans, showing posters and making street action.
Through the preparation and the event the organising volunteers had a lot of help of Navin Rebello from Kannadakudru.
In addition to a lot of fun and acting for an important goal the event opened also a lot of new connections and possibilities for the Eco projects!
The photo showed all participants of the event in Kundapur by throwing flowers and colours and is also shown on the website of 350.org. Moreover, the pictures from all actions of the world were posted on the New York Time Square.
The organisers thank every participant for joining and the great support!
The feeling of having done something important for stopping global warming could be seen in everyone's face. For seeing more pictures from other cities just look at 350.org. If you got interested in these kinds of events, participate next year in an event or organise your own when the motto is again: “Act against climate change!”
Written by Caroline Pilling and Lisa Meyer
An alle, die Informationen zur Oragnisation nochmal auf Deutsch nachlesen wollen, hier der Link zur Organisation:
Die Aktion nannte sich „Moving Planet – Move beyond fossil fuels“ dient dazu die globale Aufmerksamkeit auf die Umweltproblematiken dieser Erde zu lenken. Dafür werden in nahezu allen Länder Projekte von Interessierten organisiert, die sich in Demonstrationen gegen dem übermäßigen Nutzen von fossile Brennstoffe äußern und Alternativen aufzeigen. So wurden zum Beispiel Fahrradtouren gemacht, oder, wie in Hamburg ein Konzert nur mit der Energie von strampelnden Fahrradfahrern, die den Strom dafür erzeugten, organisiert. Und so dachten wir uns, dass wir sowas doch auch in Kundapur machen könnten. Gestärkt durch die neueste Regel, dass das Herausgeben von Plastiktaschen in Shops künftig mit einer Geldstrafe geahndet wird, machten wir eine Demonstration gegen Plastik zu Fuß und auf Rädern durch die Stadt.
 |
Aktionen auf der Straße: Hebt die Plastikflaschen auf! |
Beginnend am Food Mark Hotel kamen wir nach einem langen Marsch in der Mittagshitze schließlich am Gandhi Square an. Auf dem Weg wurde die Stimmung durch verschiedene Lieder (z.B. „Magic Number“ von Jack Johnson) und laute Ausrufe zum Handeln gegen den übermäßigen Nutzen von Plastik hochgehalten. Ankommen, an unserem Endpunkt hielten wir eine Rede, die wir drei uns (wer hätte es auch anders erwartet) natürlich höchstens einmal kurz angeschaut hatten. Wir erklärten darin wie wichtig es ist Umweltproblematiken nicht zu missachten und zu handeln bevor es zu spät ist. Gekrönt wurde unsere Aktion mit einem Foto von uns allen mit der Nummer 350 im Hintergrund.
 |
Endgültiges Foto des C.A.D. |
Ja, und wer will kann sich auf der Webside von 350 noch das Video anschauen, in der auch unser Foto erscheint. Insgesamt war ich sehr stolz auf unsere Aktion. Denn es kamen sowohl 20 Leute aus FSL(zusammen mit den Freiwilligen) als auch 20 College Studenten und ein paar andere Leute, so dass wir am Ende auf circa 50 Leute kamen. Das war schon viel mehr als wir erwartet hatten! Um so mehr haben wir uns über einen Kerl aus Goa gefreut, der 225km nur für unser Event nach Kundapur gefahren ist! Danke, Clinton, an dieser Stelle!!
350 hatte selber noch ein große Aktion in N.Y. geplant und eine Leinwand aufgestellt, auf der sie am Ende des Tages alle Fotos aus der ganzen Welt posten wollte. Und so war ich dann auch mal in New York!
Für mich ist mit diesem Tag ein Traum in Erfüllung gegangen, den ich so schnell nicht vergessen werde. Wer sich nächstes Jahr mir anschließen will zum C.A.D. zu gehen, der sei herzlich willkommen. Denn wenn nicht jetzt, wann dann? ACT NOW!