Sonntag, 4. September 2011

Tja ab jetzt heißt du Sheila...

Tja ab jetzt heißt du Sheila...
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Ich habe jetzt fast 4 Wochen Indien hinter mir und es kommt mir schon fast so vor, als würde ich seit einem halben Jahr leben. Ich habe schon so viele neue Eindrücke bekommen, das ist schwer in Worte zu fassen. Ich probiers trotzdem, und beginne hierfür mit meiner Gastfamilie. Ich verstehe mich inzwischen echt gut mit ihr. Sie sind wirklich super nett und, wie ich finde, für eine indische Familie sehr aufgeschlossen und westlich. Denn zum einen kann ich mit ihnen wirklich gut über Politik und ihr Land reden und höre dabei auch durchaus viel Kritik heraus auf der anderen Seite gehen sie mit den Hausregeln sehr locker um, was für mich bedeutet, dass ich eigentlich jeden Tag bis 10 Uhr draußen sein darf, unter der Voraussetzung Bescheid gegeben zu haben. Das ist schon echt sehr gut. Außerdem schmeckt das Essen hier einfach so gut, ich schwelge in so viel kulinarisch Neuem.
Mein Projekt wird auch nach und nach immer einsichtiger für mich. Ich begreife langsam wie weitläufig dieses Projekt eigentlich ist und wie viele Möglichkeiten sich wiederum auch eröffnen. Denn es ist natürlich viel Arbeit pro Woche 5 Stunden Unterricht zu halten, am anderen Teil des Tages die weiteren Stunden vorzubereiten und gleichzeitig auch noch Umweltaktionen in Kundapur zu planen. Die fünf Stunden Unterricht in der Woche nehmen deshalb so viel Zeit ein, da sie nicht, wie in Deutschland, 45 Minuten, sondern 90 Minuten dauern. Außerdem sind es meistens mindestens eine Stunde Anfahrt und dann nochmal ca. 15 Minuten warten, bis man anfangen kann. Das nimmt dann meistens echt viel Zeit in Anspruch, weswegen wir aus meistens auch aufteilen. Einer bleibt im Office und arbeitet weiter, während die anderen zwei die Stunde halten. Meistens lohnt sich der ganze Aufwand dann aber doch, da die indischen Kinder so dankbar sind etwas zu lernen. Der Unterricht läuft im Allgemeinen nicht sehr abwechslungsreich ab, das heißt viel Auswendiglernen und wenig hinterfragen und verstehen; zumindest so weit ich das von der 5th to 8th Standart mitbekommen habe. Die meisten Kinder kommen nach dem Unterricht alle zu uns Lehrern nach vorne und wollen uns die Hand schütteln. Das ist zum einen befremdlich, da man sich, frisch aus der Schule entlassen, dem Lehrersein noch gar nicht wirklich bewusst ist. Auf der anderen Seite ist es doch seltsam wie sich 20-70 Schüler(je nach Klassenstärke) über „so wenig“ freuen können.
Schokoladentheke in Ooty
Wir müssen natürlich nicht 7 Tage am Stück arbeiten, denn obwohl auch Samstags immer vormittags Schule ist, müssen wir dort nicht arbeiten. Das ist schön, denn diese Zeit nutzen wir für anderweitige Aktionen. Am ersten Wochenende waren wir in Mangalore (siehe 2. Blockeintrag), am zweiten Wochenende in Ooty und diesen Sonntag in Kamalashile. Ooty ist ein Ort im Bundesstaat Tamil Nadu, weswegen wir auch insgesamt 4 Tage unterwegs waren. Mit dem Bus fährt man ca. 15 Stunden dorthin. 10 Stunden mit dem Sleeper bus nach Mysore und von dort in einem normalen Bus 5 Stunden nach Ooty. Das war ein ziemliches Abenteuer, da das Städtchen auf fast 2300m Höhe liegt und unser gerade neu gewonnenes Wärmegefühl wieder mächtig ins Schwanken gebracht hat. Denn am Abend kann es dort schon mal auf 10°C abkühlen, was wir in Kundapur wahrscheinlich nicht mal im Januar in der Früh erreichen werden. Ich hatte glücklicherweise meinen Schlafsack dabei, der hat mich Nachts halbwegs warmgehalten. Die Stadt ist vor allem wegen zwei Sachen bekannt: Einmal wegen der relativ leckeren Schokolade(für Indien sehr selten erhältlich!) und wegen der extremen Beliebtheit für indische Touristen. Das wussten wir allerdings beides nicht und wurden deshalb mit sehr hohen Hotel preisen und einer kaum zu widerstehenden Schokoladenauswahl überrascht. Da die Stadt außer vielen Abgasen, und viel schnell in die Höhe gezogenen, uninteressanten Häusern nicht viel zu bieten hatte, suchten wir eher die Abgeschiedenheit der Natur im Umland. Wir waren Wandern, in einer Teefabrik und im botanischen Garten. Am Montag sind wir dann zurück nach Mysore gefahren, haben uns die, für Touristen gänzlich unentspannte Stadt angeschaut und sind dann mit dem Sleeper bus in der Nacht wieder zurück nach Kundapur gefahren. Mysore ist durch die vielen Besucher leider zu einer Stadt geworden, in der man fast ständig gefragt wird, wie man hießt, aus „which country?“ man kommt und wie es einem geht. Das die Antwort meist gar nicht relevant ist oder überhaupt verstanden wird ist wohl darauf zurückzuführen, dass alle Kinder schon von kleinauf diesen Satz ständig hören wie er zu Ausländern gesagt word und es einfach übernehmen. Das kann manchmal echt anstrengend sein, aber man entwickelt auch gleichzeitig einen gewissen Ehrgeiz dem Gegenüber ein Antwort zu geben, die ihn so richtig überrascht. Unsere Top-3 Antworten sollen hier eine Erwähnung finden:
  1. Falsche Antwort: Durch Nennen des Landes „Indien“ auf die Frage wo man herkommt entsteht meist ein großes Fragezeichen auf dem Gesicht des Gegenüber. Er versteht nicht warum ein Weißer plötzlich aus seinem Land kommen kann, wo doch vermeindlich alle dunkler sind. Es kommt dann relativ schnell ein Nachhaken, weswegen man entweder schnell fliehen sollte oder aber erklären sollte, dass man hier lebt und ob das denn so etwas Besonderes ist. (Als Anmerkung: Ja!! Es ist etwas ganz Besonderes für ein Inder, von daher sollte man möglichst schnell sagen, dass man nicht Inder ist und nur vorübergehend hier lebt.)
  2. Den Kerl sachlich darauf hinweisen, dass sein Verhalten nicht gerade dazu beiträgt den Gemütsstand des Befragten zu verbessern und ihn höflich darauf hinzuweisen, dass er vllt. im Moment gerade andere Kunden bedienen könnte, anstatt seine Zeit hier zu verschwenden. Diese Methode ist allerdings gefährlich, da man sich eventuell auf eine Grundsatzdiskussion einlässt, was wiederum zur Folge hat, dass man noch gestresster ist.
  3. Letzte und vermutlich beste Methode ist das schlichte Wiederholen der Frage. Meist herrscht dann 3 Sekunden Verwirrung, da der Frager erstmal verstehen muss, warum die erhoffte Antwort nicht kommt. In dieser Zeit kann man schnell verschwinden oder aber den Zustand kurz genießen und dann doch eine Antwort geben. Diese kann jedoch auch komplett gelogen sein, was dem Befragten einen zusätzlichen Spaßfaktor bringt. (Versucht mal jedes europäische Land mindestens einmal zu nennen ;))
Ich gebe natürlich keine Garantie dafür ab, aber uns dreien hat es echt geholfen und zudem Spaß gemacht
So aber jetzt zu diesem Wochenende. Samstag war ausnahmsweise ein selbst ernannter Arbeitstag und eigentlich nicht weiter erwähnswert, bis auf die Tatsache, dass ich einen (und das möchte ich hier nochmal erwähnen: einen fast schon kaputten) Stuhl endgültig zerbrochen habe. Lieber schnell weiter zu Sonntag. Der war eh viel interessanter: Morten, ein weiterer AFS-Freiwilliger hatte uns eingeladen mit ihm zu einem Mann zu kommen, den er an der Bushaltestelle getroffen hatte und der ich zu sich nach Hause eingeladen hat. Das kommt hier in Indien gar nicht so selten vor, da die Inder sehr stolz darauf sind, erzählen zu können, das sie schonmal einen Fremden zu Hause gehabt haben. Nach eineinhalb Stunden im Bus waren wir im Ort und nach weiteren 5 Minuten bei unserem Gastgeber zu Hause. Wir wurden zum Essen eingeladen und es gab Reis, Baby! Mit ganz leckeren Sachen dazu! Wir wurden ständig gefragt, ob wir nicht noch etwas haben wollen würden und ob es denn auch wirklich schmeckt. Es war so richtig, wie wir uns ein typisches indisches Essen vorgestellt hatten. Danach wurden wir nach draußen vor die Tür verfrachet und dort passierte dann etwas, was niemand, der es noch nie gemacht unbedarft tun sollte: Die Inder sind für viele Dinge bekannt, wie z.B. auch für das Betelnuss Kauen. Dieses wird von manchen Indern gelegentlich, von manchen aber auch exzessiv betrieben. So wird in manchen Dörfer die Zeit nicht nach Stunden und Minuten gemessen, sondern nach Anzahl der Betelnüsse, die man in der Zeit kauen kann. Hier wurden uns auch die Nüsse angeboten, die man zuerst kaut, derweil auf ein spezielles grünes Blatt Kalk streicht, und dies dann zusammen mit der Nuss noch einmal kaut. Das ganze ergibt dann einen extrem bitteren Geschmack im Mund und eine rote Farbe. Gott sei Dank, konnte wir den roten Brei nach kurzer Zeit wieder ausspucken und das echt gut, denn man hat wirklich jedem angesehen, das er das originelle Geschmackserlebnis wirklich nicht genießt. Also wenn ihr mal nach Indien kommen solltet oder womöglich die Nuss schon ausprobiert habt, dann kann ich nur sagen: Ich werde nie wieder diese Nuss kauen. Ein Erlebnis war es allerdings, also überlegt es euch gut:)
Wir wurden kurz darauf eingelade, die Wassertempel zu sehen und nahmen das Angebot natürlich an. Auf den Motorrädern gings den Berg noch und danach zu den Tempeln. Diese langen mitten im Wald, in dem angeblich sogar Tiger wohnen sollen. In die Höhle selber konnte ohne Probleme eingestiegen werden. Wir mussten einen glitschigen Felshang hinunterssteigen. Es ging an einem Höhlenbach entlang, der in einen kleinen See mündete, dessen Wasser heilig sein sollte. Wir sollten uns die Füße darin waschen, bevor es weiter in den letzten Teil der Höhle ging. Dieser war ungefähr 4 Meter hoch, wobei der meiste Platz mit Steinen und Erde zugeschüttet war. Das interessante allerdings waren die Hunderten von Fledermäusen die von der Decke hingen. Auf unsere Geräusche reagierten sie mit fluchtartigem Wegfliegen. Einige streiften unseren Körper und flogen fast in uns hinein! Es war echt unglaublich, da man immer nur die Umrisse der Tiere sehen konnte, da wir unsere Lampen nicht auf sie richteten. Auf dem Rückweg siind wir durch einen kleinen Felsspalt gekrochen, der durch die herabhängende Felswand entstanden war. Es gestaltete sich etwas schwierig, da mir direkt davor erzählt wurde, dass hier auch Schlangen hausten, und ich alter Angsthase natürlich nicht auch noch auf dem Boden direkt neben den Tieren kriechen wollte. Außerdem musste man sich auch darauf gefasst machen, gleich einen Frontalaufprall mit einer Fledermaus zu haben oder in deren Kacke auszurutschen, die überall auf dem Boden lag. Kurzum: Ich war froh aus der Spalt draußen zu sein. Wieder heil oben angekommen wurden wir zu dem Haus des Bruders unseres Gastgebers gebracht. Dieser lebt mit seiner Familie mitten im Urwald, ist Landwirt und hat deshalb auch ein paar Kühe. Also ein richtig kleiner Bauernhof. Uns wurde von der Tochter das Haus gezeigt, die uns am Ende auf die Terrasse führte von der aus man das ganze hügelige bewaldete Land überblicken konnte. Das war ein Ausblick! Zudem war die ganze Familie sehr nett, denn sie war interessiert und zeigte uns den gesamten Hof. Als es dann mal wieder zu regnen begann mussten wir schließlich aufbrechen, da wir den letzen Bus um 17.30Uhr(!) erwischen mussten. Hierzu auch eine kleine Theorie: Zu Zeiten des Monsuns läuft man immer im Regen. Sobald man das Haus verlässt, fängt es an und endet sobald man wieder im Haus ist. Das ist hart und dafür aber ungerecht:)
Wenn man jedoch im Haus wartet, bis der Regen aufhört(zum Besipiel in der Früh, damit man trotz Regenschirm nicht völlig durchnässt im Office ankommt), dann vergehen schonmal 45 Minuten, bis der Regen nachlässt.
Als wir also beim nächsten Haus ankamen, waren wir wie immer recht nass. Eigentlich dachten wir, dass dieses Haus das ursprüngliche war, in dem wir angekommen waren und in dem wir unsere Sachen gelassen hatten, dem war aber nicht so. Dies war das Haus eines weiteren Bruders, der uns auch noch seine Kühe, seine Räume und Familie zeigen musste. Das war zwar relativ nett, jedoch mussten wir ständig darauf achten, dass wir die Uhrzeit nicht vergaßen, denn der Bruder wollte uns ständig überreden doch bitte über Nacht zu bleiben. Das wollten wir wiederum nicht, da wir unseren Familien versprochen hatten nach Hause zu kommen und so entstand eine relativ verzwickte Situation, in der man einerseits nicht unhöflich sein wollte, andererseits lieber schnell gehen wollte, um den Bus nicht zu verpassen. Das passiert einem relativ oft hier, da auf Gastfreundschaft wirklich sehr viel Wert gelegt wird.
Ja und dann fiel jemanden auf, wie viel Ähnlichkeit ich doch mit der Schwester der Gastgeberin habe. Sheila heißt sie und sieht mir naja, für indische Verhältnisse tatsächlich ein wenig ähnlich. Mein Name wurde kurzfristig geändert und so heiße ich jetzt Sheila. Namaste!
Den Gastgeber treffen wir hier relativ häufig, da er auch in unserer Stadt arbeitet und wir mussten natürlich auch versprechen bald wiederzukommen. Unseren Bus bekamen wir übrigens noch:)
Das Interessante an diesem Besuch war, dass es wirklich genauso war wie wir uns die Indische Kultur vorgestellt hatten: Wenige der Familien konnten Englisch, die meiste Kommunikation lief durch einen Kannada-Englisch-Gesten-Mix und auch die davor gelernten Verhaltensweisen mussten befolgt werden. Strecke beispielsweise deinem Gegenüber nie die Füße entgegen, er würde es als Abweisung seiner Person betrachten, da die Füße als schmutzig gelten und man seinem Gesprächspartner sozusagen den Schmutz der Straße entgegenhält. Auch wurde uns das Leben eines Landwirten gezeigt, das obwohl nicht wirklich arm, doch aus westlicher Sicht ein wenig einsam(gerade für die jungen Leute) scheint. Diese Abgeschiedenheit der Häuser wird durch die Größe der Familie kompensiert, die als sehr eingespieltes Team auftreten.
Nun ja, es war ein sehr lehrreicher Tag von dem ich sehr müde abends zu Hause ankam. Und direkt zum Essen, wie auch sonst:) 
Yummi, ich liebe indisches Essen!

3 Kommentare:

  1. Hallo meine Grosse,

    schaurig schön, deine Geschichten.
    Mir scheint du lernst wirklich auf allen Ebenen fürs Leben, Respekt!
    Lass es dir weiter gut gehen, ich freu mich schon auf die Fortsetzung...

    Dicker Kuss Mama

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  2. Laisy! Ich liebe deinen Blog, du schreibst echt toll! So bekomm ich wenigstens auch trotz deiner Abwesenheit ab und zu eine Ladung Lisahumor :)
    Der Wassertempel klingt richtig toll, das muss ich auch mal machen! Und da nehm ich dich dann mit als Guide!
    Vermiss disch diggä!
    Luna aus München (omg wtf ollala: Wiesn steht)

    p.s.: iiiiih! Betelnusskauen ist echt richtig widerlich XD

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  3. Hey Lisa!
    Ich habe gerade durch Zufall, beim e-mail account ausmisten deine mail gefunden und mir gleich deinen ersten Blog durchgelesen... der ist ja echt sauuuuusau cool!! Da wird man richtig eiversüchtig! Hört sich echt super an udn du schreibst sooo schön! ^^ Ich werde mir auf jeden Fall die Tage den rest deiner seite reinziehen mach weiter so und viel Spaß noch
    lg ilona

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