Donnerstag, 29. September 2011

Act now!

Ein ohrenbetäubender Schrei ging durchs Office. Für einen Moment passierte nichts, doch im nächsten Moment rannte eine Gestalt quer durch den Raum und zur anderen Tür hinaus. Und dann wars auch schon wieder vorbei.
So, wer jetzt denkt, dass hier schlimme Dinge passieren, der irrt sich gewaltig. Denn was ich während dieser Zeit machte ist so unwichtig, dass es eigentlich gar nicht erwähnt werden müsste: Ich stand in der Mitte des Raums und lachte. Caro aus. Denn der Grund ihres Schreis war nicht etwa ein Tiger eine Schlange oder Morten, der sie erschreckt hatte, sondern eine bereits entdeckte Kackerlake, die nur die Dreistigkeit besessen hatte, sich zu bewegen. Der ganz normale, alltägliche Wahnsinn im Office, der inzwischen gar nicht weiter beachtet wird.
Um das Thema Ungeziefer noch ein wenig zu vertiefen, möchte ich darauf hinweisen, dass auch in meinem Raum durchaus das ein oder andere Getier kreucht und fleucht. Angefangen hat es mit einem harmlosen Gekko, gefolgt von einer riesigen (mindestens so groß wie meine Hand) Spinne, vor der ich auch echt Angst hatte. Kakerlaken gibt es auch, allerdings sehe ich die nur sporadisch und wenn, dann trauen die sich auch nicht in mein Zimmer... zumindest meistens:)
Ansonsten ist Kundapur jedoch recht harmlos und ich spüre mehr und mehr die Vorzüge, dieses Städtchens. Es ist nicht nur Dreh und Angelpunkt vieler Aktionen, sondern auch Anfang und Ende der neusten Geschichten, und Informationen. Ein weiterer Vorteil ist die breite Masse an Volunteers, die man hier antrifft, denn inzwischen sind wir schon 20 in der City und im Umkreis! Man trifft viele Leute, weswegen es nie langweilig wird. Damit einem trotzdem nicht die Decke auf den Kopf fällt, unternehmen zumindest Caro und ich jedes Wochenende irgendwas. Die letzten zwei Monate waren wir immer mit Katja unterwegs, jedoch ist sie am 27.9. nach Mumbai abgefahren, da ihr Projekt offiziell beendet ist. Unsere Reisen führten uns in der letzten Zeit unter anderem nach Kannur (Kerala), Gokarna, Bijapur und auf die Insel Kannada Kudru.
Wir drei Mädls auf einem Turm der Stadtmauer von Bijapur
Straßenstand in Bijapur
vor dem Ibrahim Rauza in Bijapur
In Kannur am Strand
 Vorerst möchte ich aber zuerst einen kleinen kulturellen Exkurs mit euch unternehmen. Es geht, wer hätte es gedacht, in die Welt des Hinduismus. Das Ganesha Festival, das am 1.9. begann und eine Woche dauerte, wurde in meiner Familie natürlich gefeiert:
Ganesha Woche!! Und ganz Indien feiert. Theoretisch. Denn dadurch, das erst am 4.9. der Regen weitesgehend aufgehört hatte, hatten wir am eigentlichen Ganesha Tag (1.9.) und dem Familien Feier Tag danach noch sehr viel Regen. Tatsächlich regnete es am ersten September so viel, wie ich noch nie gesehen hatte. Den ganzen Tag durch und sogar in der Nacht noch weiter. Auch am Tag danach noch, sodass die Feier, die normalerweise bis spät in die Nacht dauert, um 1 Uhr in der Nacht zu Ende war. Die Feier an sich findet allerdings im Haus statt.
Zuerst einmal zum Gott selber: Ganesha ist der Sohn von Shiva, einer der drei Hauptgötter, und Parvati. Er hat vier Arme und einen Elefantenkopf und steht für ein Leben in Gesundheit und Glück. Deswegen wird er von den meisten Indern sehr verehrt und hat sogar einen eigenen Feiertag! Es gibt jedes Jahr eine eigene Woche zu Ehren von ihm bei der kleine und/oder große Abbilder ihrer selbst in die Häuser und Tempel getragen werden, bevor sie dann in einer großen Zeremonie ins Wasser gebracht und dort versenkt werden. Dies kann im nahegelegenen Brunnen oder im Meer sein. Meine Familie hatte ihre Ganesha in dem Haus ihrer Verwandten untergebracht, denn vier Familien teilten sich zwei Ganesha. Die ganze Feier ging erst relativ spät los, weswegen wir erst gegen zehn bei den Familien eintrulten. Dort wurde ich erstmal allen Familienmitgliedern vorgestellt, und mir wurden tausende Namen genannt von denen in noch genau einen weiß, und das ist der Name eines kleinen Mädchens „Punam“ und zwar auch nur, da sie Schuhe von Puma trug. :)
Danach wurde zu erst einmal der Gott an sich im Haus geheiligt und zwar von einem speziellen Mann, der wohl einem Priester im Christentum nahe kommt. Das war für mich sehr spannend, da ich zwar den Laut der Worte nicht verstehen konnte, allerdings die spirituelle Stimmung durchaus spüren konnte. Am Ende seiner Puja warfen wir alle Reis als Zeichen unsere Achtung auf die Statue. Das ist fast wie auf deutschen Hochzeiten, nur mit dem Unterschied, dass Ganesha keine Fruchtbarkeit mehr braucht.
Danach wurden Nüsse und Datteln vereilt, die in Indien relativ teuer sind und nur an speziellen Tagen verteilt werden. Das ganze Ritual wurde durchgehend musikalisch von einem Gong, auf den teilweise eingedroschen wurde, und zwei Klangschalen, die aufeinander geschlagen wurden, begleitet. Gleichzeitig wurden viele Duftkerzen und Rauchstäbe aufgestellt, was gerade für mich sehr grenzwertig war, da es die Atmung sehr schwer machte. Eine Frau mit Kind musste während der Zeremonie sogar den Raum verlassen, trotz zwei offener Türen. Der Effekt dieser Benebelung konnte man zumindest im Kopf sofort spüren: der Rauch setzte den beleuchteten Gott sehr gut in Szene, so dass man wirklich Ehrfurcht vor ihm hatte. Zusammen mit der hypnotischen Musik und der, nur mit Kerzen erhellten, Dunkelheit im Raum war das für mich im Nachheinein fast ein kleiner Abstecher ins Jenseits. Nachdem die Musik nocheinmal lauter und eindringlicher wurde, wurde der Gott von 4 Männern hinausgetragen. Dort wurde ihm sämtlicher wertvoller Schmuck abgenommen, bevor er zum nächsten Brunnen getragen. Die inzwischen ausgelassen heitere Stimmung (ich nehme an, die Duftstäbchen benebeln nicht zur den Raum) wurden durch wilde Gesänge und huldigende Ausrufe unterstützt. Schließlich wurde in einem letzten Akt die Figur in dem Brunnen versengt, wobei die zahlreichen, fast schon heiseren Stimmen, abwechselnde Rufe beisteuerten, die sich zu einem Brei aus Musik und Geschrei vermischten und in dem Moment aufhörten, in dem der Gott auf dem Grund aufkam.
Und dann war der Spuk vorbei. Es folgte ein sehr leckeres Essen auf Bananenblättern, doch wegen des andauernden Regens verließen wir „schon“ um halb 1 die Verwandten. Es bleibt eine Erinnerung, die ich als sehr aufregend empfand, jedoch wohl nie ganz verstehen werde.
Letzter Tag von Katja
In meinem Projekt müssen Caro und ich uns im Moment neu sortieren, weil unsere Nummer drei im Projekt, ja jetzt weg ist und der wohl ideenreichste Teil mit ihr. Die zwei Monate waren so unglaublich toll, so dass es uns sehr schwer fiel sie gehen zu lassen.
Unsere gemeinsame Arbeit hatte zwei wirkliche Höhepunkte: den Awarnessday an der Holy Rosary School und dem Climate Action Day am 24.9..
und dann in der Juice Bar mit FSL staff und Volunteers und Navin
Nach 2 wöchiger Vorbereitung an der Schule, war schließlich unsere Aufführung des Musikals für ein striktes Plastik-Taschen-Verbot in Kundapura. Die genaue Story könnt ihr euch bei Bedarf auf dem FSL Blog anschauen, den Link schreib ich sobald er gepostet ist.
Wir hatten drei unterschiedliche Gruppen geplant: eine Schauspiel-, Sing- und Bühnenbildgruppe. Diese wurden jeweils von Kaja, mir und Caro geleitet.
Typisch indisch war nur mal wieder die Vorbereitung des Stückes. Denn wie vieles im Leben bringt auch die Organisation eines Musikals immer verschiedene Probleme mit sich.
  1. Wir sind in Indien und haben somit mit indische Kontaktpersonen, Lehrern, Kindern und Eltern zu tun.
  2. Weswegen 1. ein Problem darstellt, ist zurückzuführen auf die Kombination mit unsere unorganisierten Vorgehensweise: Wir dachten nämlich Anfang September, dass wir das Stück Ende September aufführen könnten, allerdings hatten wir die Rechnung ohne die Klausuren und die dafür benötigte Vorbereitungszeit von einer Woche gemacht, so dass das allerletzt mögliche Datum auf den 16.9. fiel. Am Rande bemerkt sei hier, dass uns das am 30.8. auffiel.

Infobox: Achtung, achtung: Wer in Indien in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen möchte sollte folgende Kriterien erfüllen: Organisationstalent, gute Kontakte/Bezeihungen, und ein tägliches Schlafpensum von maximal 5 Stunden. Außerdem ist eine Menge Geduld und Lärmunempfindlichkeit ratsam, sofern die Person nicht ein sehr lautes Organ zum Schreien oder andere Mittel besitzt um sich Gehör zu verschaffen

  1. Die Größe der Gruppe: Das Stück ist für 40 Personen gemacht. Eventuell für 50. Wir hatten circa 80 Kinder. Die daraus resultierende Problematik liegt wohl klar auf der Hand.
  2. Der Strom. Beziehungsweise der bei der Generalprobe nicht Vorhandene.

Vor dem Awarness Day war Caro schlecht gelaunt und konnte nicht lachen
Wenn man davon absieht, dass Katja für jeden Schauspieler Spickzettel schreiben musste, der Chor bei der Aufführung weder auf mich noch auf unseren Gitarrenspieler geachtet hatte und dadurch nahezu jeden Einsatz vermasselt und komplett schief gesungen hat und Caros Gruppe nicht wusste, wann sie wann und was ab- und aufzubauen hatte, war es ein bomben Erfolg. Die Kinder waren auf jeden Fall sehr glücklich (ich erlaube mir hier mal hinzuzufügen „ ... sehr glücklich, dass es vorbei war“). Wir waren es auf jeden Fall.

Der Climate Action Day:
Juhu!!! Mein Lieblingsthema!! Ich denke ich habe es schon fast jeder Person erzählt, falls es aber wider Erwartens eine Person geben sollte, die noch nichts von diesem ereignisreichen Tag wissen sollte, dann sollte sie jetzt besonders aufmerksam lesen. Denn folgendes beschreibt den wahrscheinlich schönsten Tag meines bisherigen Aufenthaltes.
Angefangen hat alles mit Katjas Aussage „He, ich hab da eine Organisation gefunden, die sich mit umweltpolitischen Themen befasst, vielleicht haben die ja Materialien oder Ideen, die und inspirieren können“.
Diese Organisation mit dem Namen „350“ HATTE Ideen. Um genau zu sein nur eine, aber die haben wir umgesetzt, so dass wir am Ende in New York auf dem Times Square an einer riesigen Leinwand zu sehen waren.
Neugierig geworden?
Es handelte sich um den internationalen Climate Action Day, der jedes Jahr im Herbst gefeiert wird. Dieses Jahr viel das Datum auf den 24.9..
Einen Artikel über diesen Tag habe ich bereits mit Caro verfasst, in dem auch die Hintergründe der Organisation genauer erklärt werden, deshalb erlaube ich mir jetzt einfach mal das hier frech reinzukopieren:

Climate Action day 2011
We have been part of an international movement – no, we ARE part of it.

The FSL volunteers of the projects Eco Club and Environmental Education have organized an event
on the International Climate Action day 2011, which is initialized by the organisation 350.
On the Climate Action day people all over the World move together against climate change with the motto “moving beyond fossil fuels”. The most important symbol of the movement is the number 350.


350 means climate safety. To preserve our planet, scientists tell us we must reduce the amount of CO2 in the atmosphere from its current level of 392 parts per million to below 350 ppm.” (350.org)
Otherwise the temperature will rise more than 2 degrees which has unforeseen and devastating consequences for the life on the earth. But the human being still have the chance to act against it.
How is it possible to decrease the amount of CO2?
Theoretically the people have to reduce the production of greenhouse gases which are cast by industry, through transport etc.
What can everybody do in practice? There are many easy possibilities in daily life like refusing plastic, using less motor vehicles and using more bicycle and public transport.
The yearly held International Climate Action Day is a symbolic action which should show that on the whole world people demonstrating together for reaching the same aim: Reducing the negative consequences of the climate change and making more people aware of their possibilities to act.
Many bicycle tours or food marches were held in different places such as Hamburg, Rio De Janeiro, New Delhi, the Fiji Isles, Cape Town!
The preparation of the event in Kundapura needed about 4 weeks, nerves and a lot of visits in school, the printer and shops till the big day finally started. This included sometimes working sessions until 8 PM in the office
During the demonstration the attention of the population was risen by singing songs, screaming slogans, showing posters and making street action.
Through the preparation and the event the organising volunteers had a lot of help of Navin Rebello from Kannadakudru.
In addition to a lot of fun and acting for an important goal the event opened also a lot of new connections and possibilities for the Eco projects!
The photo showed all participants of the event in Kundapur by throwing flowers and colours and is also shown on the website of 350.org. Moreover, the pictures from all actions of the world were posted on the New York Time Square.

The organisers thank every participant for joining and the great support!
The feeling of having done something important for stopping global warming could be seen in everyone's face. For seeing more pictures from other cities just look at 350.org. If you got interested in these kinds of events, participate next year in an event or organise your own when the motto is again: “Act against climate change!”

Written by Caroline Pilling and Lisa Meyer


An alle, die Informationen zur Oragnisation nochmal auf Deutsch nachlesen wollen, hier der Link zur Organisation:
Die Aktion nannte sich „Moving Planet – Move beyond fossil fuels“ dient dazu die globale Aufmerksamkeit auf die Umweltproblematiken dieser Erde zu lenken. Dafür werden in nahezu allen Länder Projekte von Interessierten organisiert, die sich in Demonstrationen gegen dem übermäßigen Nutzen von fossile Brennstoffe äußern und Alternativen aufzeigen. So wurden zum Beispiel Fahrradtouren gemacht, oder, wie in Hamburg ein Konzert nur mit der Energie von strampelnden Fahrradfahrern, die den Strom dafür erzeugten, organisiert. Und so dachten wir uns, dass wir sowas doch auch in Kundapur machen könnten. Gestärkt durch die neueste Regel, dass das Herausgeben von Plastiktaschen in Shops künftig mit einer Geldstrafe geahndet wird, machten wir eine Demonstration gegen Plastik zu Fuß und auf Rädern durch die Stadt.
Aktionen auf der Straße: Hebt die Plastikflaschen auf!
Beginnend am Food Mark Hotel kamen wir nach einem langen Marsch in der Mittagshitze schließlich am Gandhi Square an. Auf dem Weg wurde die Stimmung durch verschiedene Lieder (z.B. „Magic Number“ von Jack Johnson) und laute Ausrufe zum Handeln gegen den übermäßigen Nutzen von Plastik hochgehalten. Ankommen, an unserem Endpunkt hielten wir eine Rede, die wir drei uns (wer hätte es auch anders erwartet) natürlich höchstens einmal kurz angeschaut hatten. Wir erklärten darin wie wichtig es ist Umweltproblematiken nicht zu missachten und zu handeln bevor es zu spät ist.
Gekrönt wurde unsere Aktion mit einem Foto von uns allen mit der Nummer 350 im Hintergrund.
Endgültiges Foto des C.A.D.
Ja, und wer will kann sich auf der Webside von 350 noch das Video anschauen, in der auch unser Foto erscheint. Insgesamt war ich sehr stolz auf unsere Aktion. Denn es kamen sowohl 20 Leute aus FSL(zusammen mit den Freiwilligen) als auch 20 College Studenten und ein paar andere Leute, so dass wir am Ende auf circa 50 Leute kamen. Das war schon viel mehr als wir erwartet hatten! Um so mehr haben wir uns über einen Kerl aus Goa gefreut, der 225km nur für unser Event nach Kundapur gefahren ist! Danke, Clinton, an dieser Stelle!!
350 hatte selber noch ein große Aktion in N.Y. geplant und eine Leinwand aufgestellt, auf der sie am Ende des Tages alle Fotos aus der ganzen Welt posten wollte. Und so war ich dann auch mal in New York!

Für mich ist mit diesem Tag ein Traum in Erfüllung gegangen, den ich so schnell nicht vergessen werde. Wer sich nächstes Jahr mir anschließen will zum C.A.D. zu gehen, der sei herzlich willkommen. Denn wenn nicht jetzt, wann dann? ACT NOW!

Sonntag, 4. September 2011

Tja ab jetzt heißt du Sheila...

Tja ab jetzt heißt du Sheila...
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Ich habe jetzt fast 4 Wochen Indien hinter mir und es kommt mir schon fast so vor, als würde ich seit einem halben Jahr leben. Ich habe schon so viele neue Eindrücke bekommen, das ist schwer in Worte zu fassen. Ich probiers trotzdem, und beginne hierfür mit meiner Gastfamilie. Ich verstehe mich inzwischen echt gut mit ihr. Sie sind wirklich super nett und, wie ich finde, für eine indische Familie sehr aufgeschlossen und westlich. Denn zum einen kann ich mit ihnen wirklich gut über Politik und ihr Land reden und höre dabei auch durchaus viel Kritik heraus auf der anderen Seite gehen sie mit den Hausregeln sehr locker um, was für mich bedeutet, dass ich eigentlich jeden Tag bis 10 Uhr draußen sein darf, unter der Voraussetzung Bescheid gegeben zu haben. Das ist schon echt sehr gut. Außerdem schmeckt das Essen hier einfach so gut, ich schwelge in so viel kulinarisch Neuem.
Mein Projekt wird auch nach und nach immer einsichtiger für mich. Ich begreife langsam wie weitläufig dieses Projekt eigentlich ist und wie viele Möglichkeiten sich wiederum auch eröffnen. Denn es ist natürlich viel Arbeit pro Woche 5 Stunden Unterricht zu halten, am anderen Teil des Tages die weiteren Stunden vorzubereiten und gleichzeitig auch noch Umweltaktionen in Kundapur zu planen. Die fünf Stunden Unterricht in der Woche nehmen deshalb so viel Zeit ein, da sie nicht, wie in Deutschland, 45 Minuten, sondern 90 Minuten dauern. Außerdem sind es meistens mindestens eine Stunde Anfahrt und dann nochmal ca. 15 Minuten warten, bis man anfangen kann. Das nimmt dann meistens echt viel Zeit in Anspruch, weswegen wir aus meistens auch aufteilen. Einer bleibt im Office und arbeitet weiter, während die anderen zwei die Stunde halten. Meistens lohnt sich der ganze Aufwand dann aber doch, da die indischen Kinder so dankbar sind etwas zu lernen. Der Unterricht läuft im Allgemeinen nicht sehr abwechslungsreich ab, das heißt viel Auswendiglernen und wenig hinterfragen und verstehen; zumindest so weit ich das von der 5th to 8th Standart mitbekommen habe. Die meisten Kinder kommen nach dem Unterricht alle zu uns Lehrern nach vorne und wollen uns die Hand schütteln. Das ist zum einen befremdlich, da man sich, frisch aus der Schule entlassen, dem Lehrersein noch gar nicht wirklich bewusst ist. Auf der anderen Seite ist es doch seltsam wie sich 20-70 Schüler(je nach Klassenstärke) über „so wenig“ freuen können.
Schokoladentheke in Ooty
Wir müssen natürlich nicht 7 Tage am Stück arbeiten, denn obwohl auch Samstags immer vormittags Schule ist, müssen wir dort nicht arbeiten. Das ist schön, denn diese Zeit nutzen wir für anderweitige Aktionen. Am ersten Wochenende waren wir in Mangalore (siehe 2. Blockeintrag), am zweiten Wochenende in Ooty und diesen Sonntag in Kamalashile. Ooty ist ein Ort im Bundesstaat Tamil Nadu, weswegen wir auch insgesamt 4 Tage unterwegs waren. Mit dem Bus fährt man ca. 15 Stunden dorthin. 10 Stunden mit dem Sleeper bus nach Mysore und von dort in einem normalen Bus 5 Stunden nach Ooty. Das war ein ziemliches Abenteuer, da das Städtchen auf fast 2300m Höhe liegt und unser gerade neu gewonnenes Wärmegefühl wieder mächtig ins Schwanken gebracht hat. Denn am Abend kann es dort schon mal auf 10°C abkühlen, was wir in Kundapur wahrscheinlich nicht mal im Januar in der Früh erreichen werden. Ich hatte glücklicherweise meinen Schlafsack dabei, der hat mich Nachts halbwegs warmgehalten. Die Stadt ist vor allem wegen zwei Sachen bekannt: Einmal wegen der relativ leckeren Schokolade(für Indien sehr selten erhältlich!) und wegen der extremen Beliebtheit für indische Touristen. Das wussten wir allerdings beides nicht und wurden deshalb mit sehr hohen Hotel preisen und einer kaum zu widerstehenden Schokoladenauswahl überrascht. Da die Stadt außer vielen Abgasen, und viel schnell in die Höhe gezogenen, uninteressanten Häusern nicht viel zu bieten hatte, suchten wir eher die Abgeschiedenheit der Natur im Umland. Wir waren Wandern, in einer Teefabrik und im botanischen Garten. Am Montag sind wir dann zurück nach Mysore gefahren, haben uns die, für Touristen gänzlich unentspannte Stadt angeschaut und sind dann mit dem Sleeper bus in der Nacht wieder zurück nach Kundapur gefahren. Mysore ist durch die vielen Besucher leider zu einer Stadt geworden, in der man fast ständig gefragt wird, wie man hießt, aus „which country?“ man kommt und wie es einem geht. Das die Antwort meist gar nicht relevant ist oder überhaupt verstanden wird ist wohl darauf zurückzuführen, dass alle Kinder schon von kleinauf diesen Satz ständig hören wie er zu Ausländern gesagt word und es einfach übernehmen. Das kann manchmal echt anstrengend sein, aber man entwickelt auch gleichzeitig einen gewissen Ehrgeiz dem Gegenüber ein Antwort zu geben, die ihn so richtig überrascht. Unsere Top-3 Antworten sollen hier eine Erwähnung finden:
  1. Falsche Antwort: Durch Nennen des Landes „Indien“ auf die Frage wo man herkommt entsteht meist ein großes Fragezeichen auf dem Gesicht des Gegenüber. Er versteht nicht warum ein Weißer plötzlich aus seinem Land kommen kann, wo doch vermeindlich alle dunkler sind. Es kommt dann relativ schnell ein Nachhaken, weswegen man entweder schnell fliehen sollte oder aber erklären sollte, dass man hier lebt und ob das denn so etwas Besonderes ist. (Als Anmerkung: Ja!! Es ist etwas ganz Besonderes für ein Inder, von daher sollte man möglichst schnell sagen, dass man nicht Inder ist und nur vorübergehend hier lebt.)
  2. Den Kerl sachlich darauf hinweisen, dass sein Verhalten nicht gerade dazu beiträgt den Gemütsstand des Befragten zu verbessern und ihn höflich darauf hinzuweisen, dass er vllt. im Moment gerade andere Kunden bedienen könnte, anstatt seine Zeit hier zu verschwenden. Diese Methode ist allerdings gefährlich, da man sich eventuell auf eine Grundsatzdiskussion einlässt, was wiederum zur Folge hat, dass man noch gestresster ist.
  3. Letzte und vermutlich beste Methode ist das schlichte Wiederholen der Frage. Meist herrscht dann 3 Sekunden Verwirrung, da der Frager erstmal verstehen muss, warum die erhoffte Antwort nicht kommt. In dieser Zeit kann man schnell verschwinden oder aber den Zustand kurz genießen und dann doch eine Antwort geben. Diese kann jedoch auch komplett gelogen sein, was dem Befragten einen zusätzlichen Spaßfaktor bringt. (Versucht mal jedes europäische Land mindestens einmal zu nennen ;))
Ich gebe natürlich keine Garantie dafür ab, aber uns dreien hat es echt geholfen und zudem Spaß gemacht
So aber jetzt zu diesem Wochenende. Samstag war ausnahmsweise ein selbst ernannter Arbeitstag und eigentlich nicht weiter erwähnswert, bis auf die Tatsache, dass ich einen (und das möchte ich hier nochmal erwähnen: einen fast schon kaputten) Stuhl endgültig zerbrochen habe. Lieber schnell weiter zu Sonntag. Der war eh viel interessanter: Morten, ein weiterer AFS-Freiwilliger hatte uns eingeladen mit ihm zu einem Mann zu kommen, den er an der Bushaltestelle getroffen hatte und der ich zu sich nach Hause eingeladen hat. Das kommt hier in Indien gar nicht so selten vor, da die Inder sehr stolz darauf sind, erzählen zu können, das sie schonmal einen Fremden zu Hause gehabt haben. Nach eineinhalb Stunden im Bus waren wir im Ort und nach weiteren 5 Minuten bei unserem Gastgeber zu Hause. Wir wurden zum Essen eingeladen und es gab Reis, Baby! Mit ganz leckeren Sachen dazu! Wir wurden ständig gefragt, ob wir nicht noch etwas haben wollen würden und ob es denn auch wirklich schmeckt. Es war so richtig, wie wir uns ein typisches indisches Essen vorgestellt hatten. Danach wurden wir nach draußen vor die Tür verfrachet und dort passierte dann etwas, was niemand, der es noch nie gemacht unbedarft tun sollte: Die Inder sind für viele Dinge bekannt, wie z.B. auch für das Betelnuss Kauen. Dieses wird von manchen Indern gelegentlich, von manchen aber auch exzessiv betrieben. So wird in manchen Dörfer die Zeit nicht nach Stunden und Minuten gemessen, sondern nach Anzahl der Betelnüsse, die man in der Zeit kauen kann. Hier wurden uns auch die Nüsse angeboten, die man zuerst kaut, derweil auf ein spezielles grünes Blatt Kalk streicht, und dies dann zusammen mit der Nuss noch einmal kaut. Das ganze ergibt dann einen extrem bitteren Geschmack im Mund und eine rote Farbe. Gott sei Dank, konnte wir den roten Brei nach kurzer Zeit wieder ausspucken und das echt gut, denn man hat wirklich jedem angesehen, das er das originelle Geschmackserlebnis wirklich nicht genießt. Also wenn ihr mal nach Indien kommen solltet oder womöglich die Nuss schon ausprobiert habt, dann kann ich nur sagen: Ich werde nie wieder diese Nuss kauen. Ein Erlebnis war es allerdings, also überlegt es euch gut:)
Wir wurden kurz darauf eingelade, die Wassertempel zu sehen und nahmen das Angebot natürlich an. Auf den Motorrädern gings den Berg noch und danach zu den Tempeln. Diese langen mitten im Wald, in dem angeblich sogar Tiger wohnen sollen. In die Höhle selber konnte ohne Probleme eingestiegen werden. Wir mussten einen glitschigen Felshang hinunterssteigen. Es ging an einem Höhlenbach entlang, der in einen kleinen See mündete, dessen Wasser heilig sein sollte. Wir sollten uns die Füße darin waschen, bevor es weiter in den letzten Teil der Höhle ging. Dieser war ungefähr 4 Meter hoch, wobei der meiste Platz mit Steinen und Erde zugeschüttet war. Das interessante allerdings waren die Hunderten von Fledermäusen die von der Decke hingen. Auf unsere Geräusche reagierten sie mit fluchtartigem Wegfliegen. Einige streiften unseren Körper und flogen fast in uns hinein! Es war echt unglaublich, da man immer nur die Umrisse der Tiere sehen konnte, da wir unsere Lampen nicht auf sie richteten. Auf dem Rückweg siind wir durch einen kleinen Felsspalt gekrochen, der durch die herabhängende Felswand entstanden war. Es gestaltete sich etwas schwierig, da mir direkt davor erzählt wurde, dass hier auch Schlangen hausten, und ich alter Angsthase natürlich nicht auch noch auf dem Boden direkt neben den Tieren kriechen wollte. Außerdem musste man sich auch darauf gefasst machen, gleich einen Frontalaufprall mit einer Fledermaus zu haben oder in deren Kacke auszurutschen, die überall auf dem Boden lag. Kurzum: Ich war froh aus der Spalt draußen zu sein. Wieder heil oben angekommen wurden wir zu dem Haus des Bruders unseres Gastgebers gebracht. Dieser lebt mit seiner Familie mitten im Urwald, ist Landwirt und hat deshalb auch ein paar Kühe. Also ein richtig kleiner Bauernhof. Uns wurde von der Tochter das Haus gezeigt, die uns am Ende auf die Terrasse führte von der aus man das ganze hügelige bewaldete Land überblicken konnte. Das war ein Ausblick! Zudem war die ganze Familie sehr nett, denn sie war interessiert und zeigte uns den gesamten Hof. Als es dann mal wieder zu regnen begann mussten wir schließlich aufbrechen, da wir den letzen Bus um 17.30Uhr(!) erwischen mussten. Hierzu auch eine kleine Theorie: Zu Zeiten des Monsuns läuft man immer im Regen. Sobald man das Haus verlässt, fängt es an und endet sobald man wieder im Haus ist. Das ist hart und dafür aber ungerecht:)
Wenn man jedoch im Haus wartet, bis der Regen aufhört(zum Besipiel in der Früh, damit man trotz Regenschirm nicht völlig durchnässt im Office ankommt), dann vergehen schonmal 45 Minuten, bis der Regen nachlässt.
Als wir also beim nächsten Haus ankamen, waren wir wie immer recht nass. Eigentlich dachten wir, dass dieses Haus das ursprüngliche war, in dem wir angekommen waren und in dem wir unsere Sachen gelassen hatten, dem war aber nicht so. Dies war das Haus eines weiteren Bruders, der uns auch noch seine Kühe, seine Räume und Familie zeigen musste. Das war zwar relativ nett, jedoch mussten wir ständig darauf achten, dass wir die Uhrzeit nicht vergaßen, denn der Bruder wollte uns ständig überreden doch bitte über Nacht zu bleiben. Das wollten wir wiederum nicht, da wir unseren Familien versprochen hatten nach Hause zu kommen und so entstand eine relativ verzwickte Situation, in der man einerseits nicht unhöflich sein wollte, andererseits lieber schnell gehen wollte, um den Bus nicht zu verpassen. Das passiert einem relativ oft hier, da auf Gastfreundschaft wirklich sehr viel Wert gelegt wird.
Ja und dann fiel jemanden auf, wie viel Ähnlichkeit ich doch mit der Schwester der Gastgeberin habe. Sheila heißt sie und sieht mir naja, für indische Verhältnisse tatsächlich ein wenig ähnlich. Mein Name wurde kurzfristig geändert und so heiße ich jetzt Sheila. Namaste!
Den Gastgeber treffen wir hier relativ häufig, da er auch in unserer Stadt arbeitet und wir mussten natürlich auch versprechen bald wiederzukommen. Unseren Bus bekamen wir übrigens noch:)
Das Interessante an diesem Besuch war, dass es wirklich genauso war wie wir uns die Indische Kultur vorgestellt hatten: Wenige der Familien konnten Englisch, die meiste Kommunikation lief durch einen Kannada-Englisch-Gesten-Mix und auch die davor gelernten Verhaltensweisen mussten befolgt werden. Strecke beispielsweise deinem Gegenüber nie die Füße entgegen, er würde es als Abweisung seiner Person betrachten, da die Füße als schmutzig gelten und man seinem Gesprächspartner sozusagen den Schmutz der Straße entgegenhält. Auch wurde uns das Leben eines Landwirten gezeigt, das obwohl nicht wirklich arm, doch aus westlicher Sicht ein wenig einsam(gerade für die jungen Leute) scheint. Diese Abgeschiedenheit der Häuser wird durch die Größe der Familie kompensiert, die als sehr eingespieltes Team auftreten.
Nun ja, es war ein sehr lehrreicher Tag von dem ich sehr müde abends zu Hause ankam. Und direkt zum Essen, wie auch sonst:) 
Yummi, ich liebe indisches Essen!